Anzeige
Boris Lurie

Logo art-in.de


Spezial: Eva Biringer aus Wien über eine Hommage an Schlingensief


Eingabedatum: 23.11.2010

Spezial: Eva Biringer aus Wien über eine Hommage an Schlingensief

bilder


Figura Cuncta Videntis – The all-seeing eye
Hommage to Christoph Schlingensief

Ein Hotelzimmer, vier nackte Hintern und eine Frau, die der Reihe nach Schläge verteilt. Das satte Klatsch-Klatsch ist im ganzen Raum zu hören und mischt sich mit den schrägen Klängen der Performance im Wiener Gartenbaukino, die auf dem zweiten Screen abläuft.
Monumental über die Szene ragt ein Pegasus aus Stofffetzen und der Boden ist über und über bedeckt mit Konfetti.
Vor der Performance ist nach der Performance.
Die Installation ist eine Koproduktion zwischen dem britischen Skandalkollektiv Chicks on Speed und dem US-amerikanischen Künstler Douglas Gordon. Vorrangig verstehen sich die Chicks on Speed als feministische Rock-/Popband an der Schnittstelle zwischen Kunst, Politik und Sozialkritik. Pinkeln in der Öffentlichkeit und Hintern klatschen als subversive Praktiken. Dass das Ergebnis mehr ist als Provokation und Rock’n Roll Attitüde, verdankt die Arbeit dem Einfluss Gordons, der für die Chicks on Speed als Stellvertreter des kommerziell erfolgreichen Künstlers fungiert, dessen Konformität es zu unterlaufen gilt.

Das Performative hat derzeit Hochkonjunktur. Kunst heute ist im besten Fall eine Form von Interaktion zwischen Publikum und Künstler, eine Reflexion der Wechselwirkungen der gleichzeitigen Präsenz und der Bedeutung von Zeit, die Performance der Prototyp dieser Kunstauffassung. Figura Cuncta Videntis – The all-seeing eye präsentiert eine Auswahl von elf künstlerischen Positionen an der Schnittstelle zwischen Kunst, Performance, Theater und Film.

Um die Dekonstruktion von Machtfiguren, bzw. künstlerischer Vorbilder geht es auch Jonathan Meese in seiner Arbeit Jonathan Meese ist Mutter Parzifal. Im März 2005 realisierte er seine sechsstündige Vision der Wagneroper Parzifal in der Staatsoper Berlin, parallel zur im selben Haus aufgeführten Parzifal Premiere unter der Regie von Bernd Eichinger. Ganz im Sinne des wagnerischen „Gesamtkunstwerkes“ übernahm der Künstler alle Rollen und entwarf sowohl das Bühnenbild als auch Kostüme und Requisiten. Einige dieser Relikte, im Sinne der die Performance überdauernden Artefakte, ergänzen nun die Aufzeichnung des Premierenabends, die hier in voller Länge zu sehen ist. Meese rüttelt mit seiner Neuinterpretation nicht nur am Sockel des Übervaters Wagners. Auch Nietzsche, De Sade und Nabokov sollen im Zuge seiner „Total-Revolution“ wenigstens kritisch hinterfragt werden.

Herzstück der Ausstellung, eine Hommage an den kürzlich verstorbenen Überkünstler Christoph Schlingensief, ist dessen Animatograph, erstmals zu sehen beim Reykjavik Arts Festival. Kann hier überhaupt noch von einer Installation die Rede sein? Zu weitläufig, labyrinthartig sind die verschachtelten Bretterbuden, Tunnel, Drehscheiben, zu vielschichtig die Bezüge, die in typischer Schlingensief-Ästhetik Bezug nehmen auf nordische Mythen, interkontinentale Beziehungen und dem historischen Blick auf die Entstehungsbedingungen des modernen demokratischen Staates. Nahe liegender wäre erneut der Terminus des Gesamtkunstwerkes. Das Ziel der subversiven Zerstörungslust ist im Falle des Animatographen, stellvertretend für jedes demokratische System, das isländische Parlament. Folglich wird der Besucher aufgefordert, mit einer Blutspende die Integrität der isländischen Rasse zu sichern. Als Belohnung gibt es thailändisches Essen in einer Suppenküche - die Teil der Arbeit ist - stilvoll serviert in authentischen Holzschalen. Über allem schwebt die Stimme des Schöpfers: I want to destroy Parliament. You want to destroy Parliament. He wants to destroy Parliament...
Dabei wäre Schlingensief selbst ein gutes Ziel für die Dekonstruktion eines übermächtigen Künstlersubjekts. Zu Lebzeiten stießen seine politischen Arbeiten mit ihren Verweisen auf fundamentale gesellschaftliche Missstände, etwa Fremdenfeindlichkeit im Nachbarland (Bitte liebt Österreich) oder die mangelnde gesellschaftliche Integration behinderter Menschen (Freaks 3000) häufig auf Unverständnis bis hin zu Ablehnung. Bereits nach Bekanntwerden seiner Krebserkrankung wurde er in gewisser Weise sanktioniert und nach seinem Tod schließlich zum nationalen Vorzeigekünstler stilisiert. Noch ist es zu früh, sein komplexes Oeuvre kritisch zu hinterfragen, geschweige denn zu dekonstruieren. Noch lässt man sich einfach überwältigen von diesem seltsamen, fremdartigen, rätselhaften Animatographen.

Performative Ästhetik im eigentlichen Sinn gibt es dann am Ende der Vernissage in Form eines Live Auftritts der Chicks on Speed. Auch ohne den theoretischen Background von leiblicher Ko-Präsenz, Feedbackschleife etc. spürt man den Unterschied zu einer digitalen Aufzeichnung. Das hier ist echt, gegenwärtig und unwiederholbar. Und wenn die Band auf der Bühne dann stilvoll ineinander fällt, dann flirrt die Luft.
Nach der Performance ist vor der Performance.

Künstlerliste: Christoph Schlingensief, Nevin Aladag, John Bock, Chicks on Speed mit Douglas Gordon, Anetta Mona Chisa und Lucia Tkácová, Japanther, Ragnar Kjartansson, Jonathan Meese, Dan Graham, Tony Oursler und Laurent P. Berger featuring Japanther und The Huber Marionettes, Gregor Schneider, Palli Banine und David Örn Halldórsson

Abbildung:
- Chicks on Speed and Japanther
Live performance at the opening of the exhibition Figura cuncta videntis, T-B A21
Photo: Michael Strasser / T-B A21 2010
- Christoph Schlingensief
Animatograph – Iceland-Edition. (House of Parliament / House of Obsession) Destroy Thingvellir, 2005
Installation view: Figura cuncta videntis, T-B A21
Photo: Michael Strasser / T-B A21 2010

ÖFFNUNGSZEITEN: Dienstag bis Sonntag, 12.00 – 18.00 Uhr

Figura Cuncta Videntis – The all-seeing eye
Hommage to Christoph Schlingensief
Ausstellung vom 16. November 2010 bis 16. April 2011

Thyssen-Bornemisza Art Contemporary
Himmelpfortgasse 13
1010 Wien
Di-So 12.00-18.00 Uhr

TBA21.org

Eva Biringer





Kataloge/Medien zum Thema: Christoph Schlingensief



Christoph Schlingensief:


- Art Basel 2013

- art basel miami beach 2014

- art berlin 2017

- Berlin Biennale 1998

- Biennale Venedig 2011 Pav

- Frieze LA 2019

- JULIA STOSCHEK FOUNDATION E.V. Sammlung

- Migros Museum Sammlung

- Montevideo Biennale 2013

- nbk Berlin

- Playtime, 2014

- Thyssen-Bornemisza Art Contemporary Wien
  • Verschluckt* und geschützt - 1500 Jahre Sonderschutz für 50 Kunstwerke

  • Amar Kanwar "The Torn First Pages" - Haus der Kunst München (8.10.-9.11.08)

  • "... ich ist ein anderes" - Zum Buch >Die Inszenierung des Künstlers<, Hg. Anne Marie Freybourg

  • Medium Religion - ZKM / Museum für Neue Kunst, Karlsruhe (23.11.08-19.04.09)

  • 22. European Media Art Festival - Osnabrück (22.4.-26.4.09)

  • Christoph Schlingensief bespielt Deutschen Pavillon auf der Venedig Biennale 2011

  • VERBOTENE LIEBE. Kunst im Sog von Fernsehen - Kunstverein Medienturm, Graz + Kölnischer Kunstverein

  • Bestätigt: Deutscher Pavillon wird auf der Biennale Venedig Christoph Schlingensief präsentieren

  • Spezial: Eva Biringer aus Wien über eine Hommage an Schlingensief

  • Die Bretter, die die Kunst bedeuten

  • Vier Künstler für den Deutschen Pavillon

  • BILDERBEDARF. Braucht Gesellschaft Kunst?

  • Aus der Datenbank - 200 Künstler mit Biennale Hintergrund

  • Wir haben die Künstlerlisten von über 40 Biennalen untersucht.

  • Playtime

  • Venedig-Biennale 2015: Florian Ebner wird Kurator des Deutschen Pavillons

  • BÖSE CLOWNS

  • Selbstjustiz durch Fehleinkäufe

  • Nach dem frühen Tod

  • Datenblätter und Kunstkompass

  • TeleGen

  • Besser Scheitern

  • Extra Bodies – The Use of the ‹Other Body› in Contemporary Art

  • Franciska Zólyom als Kuratorin des deutschen Beitrags für Venedig Biennale 2019 berufen

  • Der Begriff - oder/II - in Texten zur zeitgenössischen Kunst

  • Julia Stoschek erhält den ART COLOGNE-Preis 2018

  • Hyper! A journey into art and music

  • Verletzbare Subjekte

  • Verschiebung der 59. Biennale di Venezia in das Jahr 2022 bietet auch Chancen

  • Laas Abendroth. LANGEWEILE HEUTE

  • Künstler* mit mehr als 5 Einträgen in unserer Künstlerdatenbank

  • Künstler* mit mehr als 6 Einträgen in unserer Künstler*datenbank. Alphabetische Reihenfolge

  • Susanne Gaensheimer bleibt Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen

  • Alex Heide - LIQUID ZONE

  • Die Deichtorhallen Hamburg trauern um Harald Falckenberg

  • top


    Xue Tan wird HauptkuratorinDr. Ina Dinter wird neue Leiterin des Kunstmuseum Villa ZandersAnna Schwehr ist Kalinowski-PreisträgerinRebecca Allen gewinnt den DAM Digital Art Award 2023/24Ausstellung des Jahres: Cameron Rowland, Amt 45 i, Neues Labor für die Erhaltung von Videokunst Neue Leitung im Museum gegenstandsfreier Kunst in OtterndorfKatharina Keller erhält Max Ernst-Stipendium 2024Neues Kuratorinnen-Team; Dr. Barbara J. Scheuermann und Dr. Barbara MartinDie neuen Direktorinnen des Kunstverein Bielefeld: Victoria Tarak und Katharina KlangBMW Photo Award Leipzig 2024Kevser Güler wird neue Direktorin der Istanbul BiennialManor Kunstpreis 2024 an Ishita ChakrabortyiLiana Fokianaki ist neue Direktorin der Kunsthalle BernTurner-Preis 2023 geht an Jesse DarlingChristoph Niemann gestaltet Fassade des Horst-Janssen-MuseumsChristelle Oyiri erhält den PONTOPREIS MMK 2024PLATFORM GLITCH AESTHETICS. Glitch Phenomena 3.0 Maecenas Ehrung 2023 für Monika SchnetkampAbsage der Biennale für aktuelle Fotografie 2024Neues kuratorisches Leitungsteam am K20 und K21Mohamed Almusibli wird neuer Direktor der Kunsthalle BaselJetzt tritt die Findungskommission der documenta 16 geschlossen zurückRücktritte aus der Findungskommission der documenta 16: ­Bracha Lichtenberg EttingerRücktritte aus der Findungskommission der documenta 16: Ranjit HoskotéNikola Dietrich kuratiert KölnSkulptur #11Leon Löwentraut erhält Ernst Barlach Preis 2023Die Deichtorhallen Hamburg trauern um Harald FalckenbergKünstlerliste art berlin 2017Collectif Grapain erhält Gustav-Weidanz-Preis 2023


    Anzeige
    Alles zur KI Bildgenese


    Anzeige
    Magdeburg unverschämt REBELLISCH


    Anzeige
    SPREEPARK ARTSPACE


    Anzeige
    Responsive image

    Anzeige Galerie Berlin

    Responsive image
    Haus am Kleistpark | Projektraum




    Anzeige Galerie Berlin

    Responsive image
    nüüd.berlin gallery




    Anzeige Galerie Berlin

    Responsive image
    Haus am Lützowplatz / Studiogalerie




    Anzeige Galerie Berlin

    Responsive image
    a.i.p. project - artists in progress




    Anzeige Galerie Berlin

    Responsive image
    Akademie der Künste / Hanseatenweg