Das Besondere in der künstlerischen Arbeit von Wolfgang Tillmans liegt nicht nur im fotografischen Einzelbild mit seinen jeweiligen formalen/kompositorischen Eigenschaften und Qualitäten, sondern vor allem in der Methode des Künstlers, verschiedene Bilder und Inhalte immer wieder neu zu einer Art Display zusammenzuführen. Sowohl seine zahlreichen bisher erschienenen (Künstler-)Bücher als
auch seine Installationen leben von diesem "In-Eins-Setzen" ganz unterschiedlicher Bildgenres. Hier wird die Gleichwertigkeit der Motive als Strategie und Prinzip erkennbar. Es gibt bei Tillmans keinen vordergründigen konzeptiv-thematischen Rahmen, der eine bestimmte Folge von Bildern oder eine spezifische Hängung zwingend erscheinen lässt, im Gegenteil: Das Entwickeln immer wieder neuer Spielarten der Präsentation, in denen älteres und neu entstehendes fotografisches Material zu Ensembles zusammengeführt wird, stellt ein Leitmotiv seiner künstlerischen Praxis dar.
Von Beginn an arbeitet Wolfgang Tillmans parallel in den unterschiedlichsten medialen und institutionellen Zusammenhängen. Ende der 1980er Jahre publiziert er Fotostrecken für (auch Lifestyle-) Magazine, zur gleichen Zeit stellt er im Kontext Galerie aus. Nur wenig später folgen Ausstellungen in internationalen Ausstellungshäusern, entstehen zahlreiche (Künstler-) Bücher und Kataloge. In seinem Zugang zur Fotografie und ihren unterschiedlichen Präsentationsweisen zeigt sich einerseits der Kern eines zutiefst menschlichen Interesses, soziale Erfahrungen oder Ausschnitte von Wirklichkeit zu verstehen und ein Bild für sie finden zu wollen, andererseits der Kern einer künstlerischen Haltung, die Möglichkeiten bzw. den status quo der Kunst selbst immer wieder mit der eigenen Arbeit in Frage zu stellen und zu bearbeiten.
Auch in seiner ersten Einzelausstellung in Österreich zeigt Wolfgang Tillmans ein gemäß seiner künstlerischen Praxis für den
Ausstellungraum Camera Austria komponiertes Ensemble von Arbeiten, mit dem sich die ganze Bandbreite seiner Bildthemen und -motive zeigt. Gleichzeitig wird hier sein Interesse am Foto als (auch haptisch erfahrbares) Material sichtbar. Hierauf wird mit den neueren abstrakten Arbeiten ein Fokus der Ausstellung liegen. Tillmans interessieren die physikalischen Prozesse und unterschiedlichen Verfahrensweisen, die entscheidend für die Entstehung einer Oberflächenstruktur respektive Bildstruktur sind: Insbesondere in seiner abstrakten (auch kameralosen) Fotografie betont er daher die Materialität seiner Arbeit bzw. das Papier als Bildträger der visuellen Wahrnehmung. Die unterschiedlichen Präsentationsweisen unterstreichen dabei die Materialbezogenheit und den objekthaften Charakter seiner neueren Arbeiten. In den jüngst entstandenen "paper drops" erweitert er den Blick auf diesen Bereich seiner Arbeit: Hier thematisiert er das (Foto-) Papier als Hülle, als ein Farbe einschließendes Trägermedium.
Das Experimentelle, das sich mit diesen Arbeiten auch vermitteln mag, markiert einerseits eine Konstante in Tillmans' fotografischem Werk (das seinen Ausgangspunkt in Versuchen mit verschiedenen Formen der Vergrößerung und Reproduktion nahm), darf andererseits aber nicht auf diesen formalen Aspekt reduziert betrachtet werden. Das Ausprobieren und das immer wieder erneute Überprüfen des Erlernten nämlich stellt sich als ein ganz grundsätzliches Paradigma der künstlerischen Arbeit Wolfgang Tillmans' dar: sich einen immer wieder neuen Zugang zur eigenen Arbeit und zur Kunst zu erlauben ist die herausragende Qualität in diesem vielschichtigen künstlerischen Projekt. Es ist ein offenes Werk, das geprägt ist von der permanenten Arbeit an der Basis, jenseits großer Theoreme oder fertiger Aussagen, geleitet von einer "Strategie des Zweifelns".
Abbildung: Wolfgang Tillmans, paper drop (rainbow), 2006.
C-print, versch. Gröen / various sizes.
Courtesy: Camera Austria, Graz.
Öffnungszeiten: Di.-So. 10:00-18:00 Uhr
Kunsthaus Graz
Lendkai 1
A-8020 Graz
T. +43 / (0) 316 / 81 55 500
camera-austria.at
ch
Kataloge/Medien zum Thema:
Wolfgang Tillmans
Japanisch-Deutsches Zentrum Berlin
ifa-Galerie Berlin
GEDOK-Berlin e.V.
nüüd.berlin gallery
Kommunale Galerie Berlin