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Thomas Ruff



Thomas Ruff, Nacht 5 I, 1992, aus der Serie: Nächte, C-print, gerahmt 20 x 21 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2011

In dieser ersten umfassenden Präsentation nach über zehn Jahren zeigt Thomas Ruff die Werkgruppen, die ihn international bekannt gemacht haben. In chronologischer Abfolge vollzieht die Ausstellung Ruffs künstlerische Entwicklung nach: von seiner ersten, 1979 begonnenen Serie deutscher "Interieurs" über die "Porträts", "Häuser" und "Sterne" zu den Werkgruppen der 90er-Jahre, wie "Zeitungsfotos", "Nächte", "Plakate" und "andere Porträts". Der Bogen reicht von "l.m.v.d.r." und "nudes" über "Maschinen", "Substrat", "Zycles", "jpeg" und "cassini" bis hin zur Gegenwart, den 2011 begonnenen topografischen Aufnahmen vom Mars ("ma.r.s."). Material zur Rezeption des Werkes und zu den Quellen, die Thomas Ruff inspiriert haben, ist erstmalig Teil der Präsentation und ihrer Vermittlung. Es öffnet den Zugang zu Ruffs konzeptueller Befragung der verschiedenen Gebrauchsweisen und Formen der Fotografie.

Thomas Ruff, 1958 in Zell am Harmersbach (Schwarzwald) geboren, studierte bei Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie. Die Serie der "Interieurs" entstand noch zu Studienzeiten. Die meisten Bilder dieser Werkgruppe sind im Schwarzwald aufgenommen, in den Wohnungen von Verwandten und von Eltern ehemaliger Klassenkameraden. Thomas Ruffs innere Haltung gegenüber diesen Räumen ist ambivalent: Sie sind für ihn "der Inbegriff von Spießbürgerlichkeit", der er entkommen war, und geben ihm gleichzeitig das Gefühl der Zugehörigkeit bzw. stehen für einen sentimentalen Blick auf die Umgebung seiner Kindheit. In den "Interieurs" sind Raumdetails sachlich und distanziert wiedergegeben, wobei sich durch die Wahl des Bildausschnitts Charakter und Stimmung des jeweiligen Raums essenzartig verdichten. Die in den frühen 80er-Jahren beginnenden Renovierungen dieser Wohnungen beendeten die Serie.

Während der Studienzeit von Thomas Ruff dominierten Minimal Art, Konzeptkunst und wilde Malerei. Das Porträt als Gattung war so gut wie nicht existent. Gerade das brachte Ruff auf die Frage, wie eine zeitgemäße formale Lösung hierfür aussehen könnte. Zwischen 1981 und 1985 fotografierte er in seinem Atelier 60 Brustbilder nach dem gleichen Schema: Passbildausschnitt, oberer Bildrand knapp über dem Haar, gleichmäßige Ausleuchtung, die Porträtierten zwischen 25 und 35 Jahre alt, aufgenommen mit einer Negativgröße von 9 x 12 cm, durch die Verwendung von Blitz ohne jede Bewegungsunschärfe. Der Porträtierte konnte aus einem Stapel von farbigem Kartonpapier eine Farbe wählen, die ihm als Hintergrund diente. Die nüchterne Präsenz der Gesichter und die Bildauffassung der gesamten Serie widersprach der herkömmlichen Annahme, dass ein gelungenes Porträt eine psychologisierende Deutung anbieten sollte. Doch ist die sachliche und minutiöse Darstellung der Oberfläche eines Gesichts gleichzeitig der Hinweis darauf, dass dahinter eine fremde, unzugängliche Welt beginnt, die in einem Porträt einzufangen Thomas Ruff für unmöglich hält: "Ein Porträt geht nicht einen Millimeter unter die Haut, und ein einzelnes Foto sagt noch nichts über die Persönlichkeit des Porträtierten aus." Aus diesem Grund verzichtet er bei den Titeln auf Angabe von Name, Alter oder Beruf.

1986 beschloss Thomas Ruff, einige dieser Porträts auch im Format 210 x 165 cm auszuführen. Da er hier die Wirkung der Farbe zu dominant fand, wählte er für die 1986 bis 1991 aufgenommenen Porträts nun einen hellen, neutralen Hintergrund. Mit den Porträts erzielte er in den Jahren 1986 bis 1989 durch Einzelausstellungen in verschiedenen Galerien große Aufmerksamkeit. Seine internationale Bekanntheit wurde durch Teilnahme an der documenta IX, 1992 und die Präsentation im deutschen Pavillon der 46. Biennale di Venezia 1995 gefestigt.

Ebenso wie sein Lehrer Bernd Becher ist Thomas Ruff davon überzeugt, dass man das Medium, das man benutzt, im Bild mitreflektieren sollte. Entsprechend geben die Porträts darüber Auskunft, wie sie entstanden sind: Die für die Ausleuchtung genutzten Lichter spiegeln sich in den Pupillen des Porträtierten.

Von 1987 bis 1991 entstand die Bildgruppe "Häuser", ebenso wie die "Porträts" mit konsequent gleichbleibender Bildgestaltung: frontal, mit nur minimalem Vordergrund wie einem schmalen Band Straße oder Rasen, fast vollständig abwesendem Mittelgrund und darüber einem grauen, neutralen Himmel. Das Projekt ist als lapidarer Blick auf die Umgebung gemeint, der nichts überhöht, sondern lediglich zeigt.

Ohne eine Anklage zu formulieren stellt der Blick von Thomas Ruff auf diese Fassaden das Scheitern der Architektur-Utopie der 60er-Jahre fest. Herzog & de Meuron wurden bald auf diese Form der Architekturfotografie aufmerksam und luden ihn ein, für ihren Auftritt bei der Architekturbiennale Venedig 1991 eine Fotografie ihres Gebäudes für Ricola beizutragen. Zu den Fotografien der Häuser von Ludwig Mies van der Rohe wurde Thomas Ruff von Ausstellungsmachern angeregt (l.m.v.d.r, 1999-2001).

Für die Serie "Sterne" (1989-92) eignete sich Thomas Ruff Fremdmaterial an. Er erwarb vom European Southern Observatory in den Anden Negative von Teleskopaufnahmen des südlichen Sternenhimmels, stellte daraus Detailausschnitte her und vergrößerte sie auf das Hochformat von 260 x 188 cm. Ihn faszinierte die Vorstellung, dass das Licht eines bestimmten Sterns womöglich erst nach dessen Erlöschen die Erde erreicht, dass Astrofotografie also viele Ebenen von Vergangenheit in einem einzigen Bild festhält.

Die in grünliches Licht getauchten "Nächte" (1992-96) zeigen Hinterhöfe und Straßen in Düsseldorf und Umgebung, die anmuten wie Orte eines potentiellen Verbrechens. Sie wurden von einer Kamera mit einem Restlichtverstärker aufgenommen, ähnlich dem Nachtsichtgerät, das für militärische Zwecke erfunden wurde. Die Ästhetik der Serie zitiert die von den Medien übermittelten Bilder des Zweiten Golfkriegs von 1990/91. Diese Bilder verwandelten den westlichen Fernsehkonsumenten damals in eine Art Komplizen und Voyeur, der mitsehen konnte, ohne gesehen zu werden.

Thomas Ruff arbeitet mit vorgefundenem Material wie Zeitungsbildern oder Comics (für "Substrat", seit 2001), nutzte einen Apparat wie die Minolta-Montage-Unit, die in den 70er-Jahren bei Landeskriminalämtern für die Herstellung von Phantombildern in Gebrauch war (für "andere Porträts", 1994-95), experimentiert mit Pixelverkleinerungen und Pixelvergrößerungen (bei "nudes" und "jpeg") und zitiert eine anachronistisch wirkende Ästhetik wie die Collagetechnik (bei "Plakate"). All das belegt, wie intensiv er sich mit möglichen Auswegen aus den Konzepten der traditionellen Kamerafotografie beschäftigt. Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass er seit einiger Zeit mit Bildern arbeitet, die von Sonden, Teleskopen und Robotern aufgenommen wurden. Mit "cassini", den Aufnahmen von Saturn und seinen Ringen, stellt er die Frage, inwieweit Maschinen schöne Bilder herstellen können und räumt ein: "Ich muss gestehen, ich hätte diese Bilder gerne selber gemacht, nur wäre das eine sehr lange Reise geworden, und ohne Rückkehr." (Thomas Ruff im Film von Ralph Goertz, IKS 2011)

Seine jüngste Serie übersetzt topografische Aufnahmen vom Mars in Bilder fragiler Schönheit. Die Fotos stammen von der Website der NASA und wurden von der Kamera in einem Satelliten gemacht, in senkrechtem Winkel zur Oberfläche des Mars. Durch nachträgliches Kolorieren und Anpassen des Winkels an eine menschliche "Pseudoschrägansicht" werden sie zu einer virtuellen Vorwegnahme eines Besuches auf dem Mars.

Thomas Ruff hat Fotografie kürzlich als "die größte Bewusstseinsveränderungsmaschine, die auf den Menschen einwirkt" bezeichnet; die Präsenz und Beschaffenheit von Fotos in Zeitungen, Magazinen, in Film und Fernsehen habe sich durch den technologischen Schub der letzten Jahrzehnte stark verändert, und die Möglichkeit zu manipulieren habe ständig zugenommen. In über drei Jahrzehnten hat Thomas Ruff sich mit dieser Entwicklung auseinander gesetzt und seine eigene Arbeitsweise ständig variiert. Er hat den Schritt von analoger zu digitaler Bildproduktion vollzogen, und vor allem die Durchmischung von beidem in ihren unterschiedlichen Möglichkeiten ausgelotet. Von Anfang an war seine Herangehensweise konzeptuell: Er untersucht Genres, Motivwelten und Techniken mit exemplarischem Charakter, und jede Serie bringt neben dem eigenen Sujet auch ihre eigene Technik hervor. In der Summe verbindet die sich über drei Jahrzehnte erstreckende Arbeit von Thomas Ruff Analyse und Sehlust in einer einzigartigen Form.


Öffnungszeiten: mo–so 10–20 h
do 10–22 h

Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1
D 80538 München
Tel. +49 89 211 27-115
hausderkunst.de


Medienmitteilung





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