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Am I a monster?

17.02. - 28.04.2024 | Kunstverein Bielefeld

Ein Blick auf die weitreichenden Konsequenzen alltäglichen Handelns und unserer Gewohnheiten in Bezug auf Konsumverhalten und soziales Miteinander, kann die Frage hervorrufen: Bin ich ein schlechter Mensch? Inwiefern bin ich verantwortlich? Sind wir eine monströse Spezies? AM I A MONSTER?

Wie können wir mit den Gefühlen der Zerrissenheit, Überforderung, Resignation und Wut, die Ausdrücke eines Weltschmerzes sein können, umgehen? Etymologisch leitet sich das Wort „Monster“ vom lateinischen monstrum „Mahnzeichen“, sowie monstrare „zeigen“ und monere, „warnen“ ab. Im Spannungsfeld des Aufzeigens gesellschaftlicher Missstände und Herausforderungen globalen Ausmaßes proklamieren die in der Ausstellung gezeigten Werke auch den Wunsch nach Verbesserung und der Suche nach Lösungsansätzen, die eine ökologische und faire Zukunft „gestalten“?

Das Narrativ der Ausstellung führt ein vielschichtiges Themenspektrum zusammen, welchem sich die Künstler:innen Anaïs Goupy, Chloe Wise, Christian Theiss, Diane Haefner, Jonas Monka, Lenn Blaschke, Mary-Audrey Ramirez und Ronny Szillo widmen. Die Perspektiven der einzelnen künstlerischen Positionen stehen für sich oder greifen ineinander.

In Anaïs Goupys Showy Shells (2023) verschmelzen Objekte aus der digitalen und analogen Welt. Sie bindet KI-gesteuerte Algorithmen, die sie mit visuellen Datensätzen füttert, in ihre Bildentstehungsprozesse ein. Hierzu kombiniert sie eine Vielzahl digitaler Abbildungen objektifizierender weiblicher Darstellungen aus Social-Media mit Abbildungen europäischer Stillleben des 17.-18. Jahrhundert, auf denen Muscheln abgebildet sind, die als „Exotica“ deklariert, Eingang in die Wunderkammern europäischer Sammlungen fanden. In der Verbindung menschlicher und maschineller Gesten, entstehen Trompel‘oeils, die gegenwärtige und vergangene Repräsentationsformen auf ihre ausbeuterischen Mechanismen hin befragen.

Auch die Videoarbeit Hyper Liminal (2023) von Lenn Blaschke stellt dem Digitalen etwas scheinbar Natürliches gegenüber. Einer Videoanimation, in der sich eine Gesellschaft in der künstlichen Intelligenz aufzulösen scheint, setzt der Künstler eine vermeintlich postapokalyptische Landschaft entgegen, durch die ein human-digitaler Hybrid wandelt. Bei der Landschaft handelt es sich jedoch nicht um eine dystopische Vision, sondern um reale Aufnahmen aus dem Harz, der aufgrund des massiven Borkenkäferbefalls zu weiten Teilen gerodet werden mussten.

Die Shift Shaper (2023) des Künstlers Christian Theiss berufen sich auf den Polytheismus im asiatischen Raum sowie die antike Mythologie. Bezeichnend für diese ist die Vermittlung, dass die negativen Wesenszüge unserer Existenz,
ebenso Teil des Lebens sind, wie die guten. Seine polymorphen keramischen Gestalten wandeln auf einer Edelstahlinstallation im Kreis, präsentieren sich von allen Seiten und schlagen Referenzen zu göttlich anmutenden Figuren.
Seine Monster scheinen in einem Kreislauf aus Präsentation und Konsum als ewige Angebote gefangen.

Die Porzellanplastiken von Diane Haefner erzählen diese Geschichte noch etwas weiter und wollen wissen, wie etwas von solcher Schönheit an der Oberfläche, derart düstere Themen behandeln kann? Ihre filigranen Arbeiten wirken wie genetisch veränderte Hybride mit Anteilen menschlicher wie auch pflanzlicher Phänotypen, die aus dem Material entwachsen. Ihre Oberflächen versieht Haefner mit einer subtilen Airbrush-Glasur, deren pastellige Farbpalette Momente
von Plastizität und Sinnlichkeit erzeugen und eine Rückbesinnung auf die eigene Körperlichkeit bewirken.

Fabelhafte Wesen lässt auch Mary-Audrey Ramirez entstehen. Außerirdisch, fremd, futuristisch wirken die Formwelten, die äußerlich Verwandtschaften zuFlora und Fauna aufweisen. Ihre Arbeit Hi! Empty eyes (2022) ist ein Beispiel
für ihre künstlerische Praxis, in der „Worldbuilding“ ein integraler Bestandteil ist. Die Bezeichnung „Worldbuilding“ beschreibt einen kreativen Prozess, in dem fiktionale Welten mit eigener Geschichte, Geografie, Lebensformen usw. entworfen werden; nah verwandt mit dem literarischen Genre Science-Fiction.

Wiederkehrendes Thema der Installationen von Jonas Monka ist die Untersuchung komplexer Beziehungen zwischen Körpern und den Systemen, in denen sie sich befinden. Fremdzuschreibungen und kategoriale Einordnungen werden diskutiert und insbesondere binäre Systeme in Frage gestellt. Seine Skulpturcollagen und Körperabdrücke manifestieren einen persönlichen Zugang auf die Vielzahl lebender Körper. Durch Interventionen im gesamten Ausstellungsraum, treten die Installationen des Künstlers in ständigen Dialog mit den weiteren Positionen der Ausstellung.

Chloe Wise‘ Videoarbeit Told A Vision (2023) präsentiert eine ungezügelte Konsumkultur, in der die beworbenen Artikel sich in leeren Versprechen und tautologischen Beschwörungen auflösen. Die auf Hochglanz produzierten, rasch aufeinander folgenden Videofragmente zeigen der Werbung entlehnte Stereotype wie gemeinsam lachende Freunde, verliebte Paare und glückliche Hausfrauen. Die Videoinstallation liefert uns einer unsichtbaren Macht aus, die in elektrisierendem Takt durch ein aberwitziges Angebot zappt. Die Persiflage auf das Überangebot unserer Zeit erzählt von den uneingelösten Versprechungen, die uns die gängigen Werbeplattformen einzuschärfen versuchen.

Abschließend richten wir unseren Blick in eine ferne Zukunft, in der Archäolog:innen die Spuren des Anthropozäns freilegen. Die Werkreihe Work in progress (2021-fortlaufend) von Ronny Szillo erschafft bunte, künstliche Fossilien. Die vermeintlichen Hinterlassenschaften unserer Existenz sind in grauen Beton gegossen und konservieren auf diese Weise die Artefakte unseres Alltags. Sneaker, Handyhüllen, Zahnbürsten und Kochutensilien vermengen sich mit keramischen Arbeiten des Künstlers und können als Verweise zu tatsächlichen antiken Funden betrachtet werden.

All diese Perspektiven verhandeln Moralvorstellungen und Verantwortungsverhältnisse. Technologische Entwicklungen und klimapolitische Herausforderungen stehen ebenso im Fokus wie Gesellschaftssysteme und philosophische Problemstellungen. Sich diesen Herausforderungen zu stellen und sich ihnen gegenüber zu positionieren, erfordert Achtsamkeit und Reflexion; vor allem aber den Willen zur Auseinandersetzung.

Kuratiert von Undine Rietz

Kunstverein Bielefeld
Welle 61
33602 Bielefeld
www.kunstverein-bielefeld.de


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